Bundesgerichtshof Entscheidungen
Möglicher Schadensersatz wegen Nichterfüllung kein Argument für notarielle Beurkundungspflicht des Bauvertrages
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Dezember 1979 folgende Entscheidung verkündet:
Zur Frage ob ein Bauwerkvertrag der notariellen Beurkundung bedarf.
BGH, Urt. v. 6. Dezember 1979, VII ZR 313/78
Tatbestand: Die Beklagten beauftragten die Klägerin durch privatschriftlichen „Bauwerkvertrag" am 28. August 1977 mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Ferienhauses, Typ „ A", in Fertigbauweise auf einem Grundstück in A., zum Festpreis von 104. 300 DM. Die Geltung der VOB war vereinbart. Außerdem enthielt der Vertrag in Abschnitt VII folgende Bestimmungen:
1. Eine Kündigung des Vertrages durch den Auftraggeber (§ 8 VOB, Teil. B, § 649 BGB) ist nur aus wichtigem Grund zulässig. 2. Der Auftragnehmer kann vom Vertrag zurücktreten bzw. bei Verschulden des Auftraggebers Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen, a) wenn er nach Mahnung und Setzung einer angemessenen Nachfrist die Zahlungsverpflichtungen nach diesem Vertrag nicht erfüllt, b) die Finanzierung nicht innerhalb angemessener Fristsicherstellen kann und nicht vorgesehene Fremdbelastungen erfolgen, c) der Auftraggeber In Vermögensverfall gerät, namentlich ein Konkurs- oder Vergleichsverfahren beantragt oder eine Zwangsvollstreckung in Rechte aus diesem Vertrag eingeleitet werden. 3. Im Falle des Rücktritts verfällt eine Vertragsstrafe in Höhe von 5% des in §2 genannten Festpreises, die dem Auftragnehmer zusteht. Außerdem hat der Auftraggeber die Verzugskosten, rückständige Finanzierungszinsen sowie im Falle des Bezuges eine angemessene Entschädigung bis zum Tage der Herausgabe zu zahlen.
Das Grundstück gehörte der Firma Immobiliengesellschaft L.-Bau. Deshalb vereinbarten die Parteien zugleich ein Rücktrittsrecht der beteiligten für den fall, dass die L-Bau ihnen das Grundstück nicht binnen vier Wochen zum Preis von höchstens 35.700 DM zum Kauf anbieten sollte. Bereits mit Schreiben vom 31. August 1977 teilten die Beklagten der Klägerin mit, dass sie den Bauwerkvertrag nicht anerkennen würden; sie seien von dem Vertreter der Klägerin zum sofortigen Vertragsschluss überredet und dabei getäuscht worden. Die L.-Bau unterbreitete den Beklagten fristgerecht ein notarielles Angebot zum Kauf des Grundstücks für 35 700 DM. Die Beklagten nahmen das Angebot nicht an. Die Klägerin hat gegen die Beklagten 5215 DM nebst Zinsen als Schadensersatz in Höhe von 5% des Festpreises eingeklagt. Die Beklagten haben sich in erster Linie darauf berufen, dass der Bauwerkvertrag wegen Umgehung der Formvorschrift über die notarielle Beurkundung gemäß § 313 BGB nichtig sei. Im übrigen sei der Vertrag auch deshalb unwirksam, weil sie ihn wegen arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten hätten.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus dem Bauwerkvertrag. Der Vertrag sei gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig; denn er habe gemäß § 313 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung bedurft. Eine Erwerbsverpflichtung im Sinne dieser Vorschrift liege auch dann vor, wenn die Entschließungsfreiheit eines Vertragspartners hinsichtlich des Erwerbs oder Nichterwerbs des Grundstücks nach dem Gesamtbild des Vertrags praktisch aufgehoben sei. Dies sei hier der Fall gewesen, weil ein mittelbarer Zwang zum Erwerb des im Bauwerkvertrag bezeichneten Grundstücks ausgeübt worden sei. Das Haus habe nämlich auf einem bestimmten Grundstück errichtet werden sollen. Für den Fall des Rücktritts vom Bauwerkvertrag sei eine Vertragsstrafe vereinbart gewesen. Außerdem wäre ein Fertighaus ohne Grundstück für die Beklagten praktisch wertlos gewesen. Die Erfüllung des Bauwerkvertrages habe deshalb die Verpflichtung zum Erwerb eines Grundstücks eingeschlossen.
II. Dem kann nicht zugestimmt werden. Der Bauwerkvertrag bedurfte zu seiner Wirksamkeit nicht der notariellen Beurkundung gemäß §313 BGB. Die Beklagten wurden durch ihn weder unmittelbar noch mittelbar zum Erwerb des für das Fertighaus vorgesehenen Grundstücks verpflichtet. Er bildete mit dem vorgesehenen Grundstückskaufvertrag auch keine rechtliche Einheit.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Bauwerkvertrag—nebst Zusatzvereinbarung über den Rücktrittsvorbehalt der Beklagten — keine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten zum Grundstückserwerb enthält. Die Parteien haben durch den Bauwerkvertrag nur gegenseitige Pflichten zur entgeltlichen Errichtung des Fertighauses begründet. Wenn auch die Beklagten das für die Errichtung des Fertighauses vorgesehene, im Vertrag bezeichnete Grundstück erst noch von der Eigentümerin (L.-Bau) erwerben wollten, so ist doch dem Bauwerkvertrag oder sonstigen Umständen nicht der Wille der Parteien zu entnehmen, dass die Beklagten gegenüber der Klägerin zum Erwerb des Grundstücks von der L.-Bau hätten verpflichtet sein und der Klägerin dementsprechend ein einklagbarer Anspruch dieses Inhalts gegen die Beklagten hätte zustehen sollen. Auf eine solche Verpflichtung weist auch nicht die Zusatzvereinbarung hin. Dadurch wurde den Beklagten nur zu ihren Gunsten die Möglichkeit eingeräumt, vom Kauf des Fertighauses zurück- zutreten, wenn der Kauf des Grundstücks daran scheitern sollte, dass die L.-Bau kein entsprechendes Verkaufsangebot machte. Dieser Fall ist aber nicht eingetreten.
2. Ein Vertrag kann auch dann beurkundungsbedürftig sein, Wenn durch ihn ein mittelbarer Zwang zur Veräußerung oder zum Erwerb eines Grundstücks herbeigeführt wird. Es genügt aber nicht schon jeglicher Druck, der sich aus der Verpflichtung ergibt, einen Vertrag einzuhalten.
a) Der Bundesgerichtshof hat einen die Entschließungsfreiheit eines Grundstückseigentümers erheblich beeinträchtigenden Zwang bei Maklerverträgen dann angenommen, wenn der Eigentümer zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe der Maklerprovision für den Fall verpflichtet wird, dass er sein Grundstück nicht verkauft. Dasselbe gilt seit der Änderung des §313 Satz 1 BGB durch das Gesetz vom 30.Mai 1973 auch dann, wenn die Entschließungsfreiheit des Erwerbers in Frage steht. In
diesen Fällen wird durch das uneigentliche Strafgedinge im Sinne des § 343 Abs. 2 BGB der Zweck verfolgt, den Grundstückseigentümer oder Erwerbsinteressenten zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags zu bringen, damit der Makler seinen Lohnanspruch (§ 652 BGB) erhält. Dieses uneigentliche Strafgedinge ist eine unangemessene wirtschaftliche Belastung bei der Grundstücksvermittlung und beeinträchtigt die Willensentschließung des Veräußerungs- oder Erwerbsinteressenten in einem solchen Maße, dass bereits diese Vereinbarung — dem Zweck des§ 313 BGB entsprechend -formbedürftig ist.
b) So liegt der Fall hier aber nicht.
aa) Der Bauwerkvertrag unterscheidet sich nach Sinn und Zweck von Maklerverträgen. Diese sind unmittelbar auf den Abschluss von Verträgen über Erwerb oder Veräußerung von Grundstücken gerichtet. Der Bauwerkvertrag hat dagegen eine selbständige und für beide Vertragspartner große wirtschaftliche Bedeutung.
bb) Da die Beklagten — vorbehaltlich ihrer Anfechtung — sich hier vom Bauwerkvertrag schuldhaft einseitig losgesagt haben, sind sie der Klägerin schadensersatzpflichtig. Dafür kann es keinen Unterschied machen, ob ein Bauwilliger bei Abschluss des Bauwerkvertrages bereits Grundstückseigentümer ist, oder ob er - wie hier die Beklagten -das Grundstück erst erwerben will. Wer in der Erwartung, demnächst ein bestimmtes Grundstück erwerben zu können, bereits Verträge im Hinblick auf dieses Grundstück abschließt, handelt auf eigenes Risiko, wenn sich seine Erwartung zum Grundstückserwerb — gleichwohl aus welchem Grunde—nicht erfüllt.
cc) Ein derartiger Schadensersatzanspruch mag zwar geeignet sein, einen gewissen wirtschaftlichen Druck auf die Entschließungsfreiheit des Bauherrn für den beabsichtigten Grundstückskauf auszuüben. Diese Ersatzpflicht würde ihn aber auch dann treffen, wenn er bei Abschluss des Bauwerkvertrages bereits Eigentümer des Grundstücks gewesen wäre oder dieses damals schon notariell gekauft hätte. Diese Schadensersatzpflicht kann daher nach dem Schutzzweck des § 313 BGB nicht den Zwang zu notarieller Beurkundung des Bauwerkvertrages rechtfertigen. Eine ähnliche Pflicht zum Ersatz von Aufwendungen und zur Zahlung eines unter der Provision liegenden Entgelts hat der Bundesgerichtshof übrigens auch bei Maklerverträgen für möglich erachtet.
dd) Auf die Vertragsstrafenklausel in Nr. VII Abs. 3 des Vertrages und darauf, ob diese etwa gegen § 11 Nr. 6 AGBG verstößt, kommt es hier nicht an. Diese Klausel greift nur ein, wenn die Klägerin aus bestimmten in Nr. VII Abs. 1 aufgezählten Gründen zurückgetreten ist. Hier stützt sich die Klägerin in erster Linie aber nicht auf Rücktritt, sondern macht einen Schadensersatzanspruch geltend. Lediglich wegen der Höhe des Schadens glaubt sie, sich auf eine Pauschalierung von 5%des Festpreises—entsprechend der Bemessung der Vertragsstrafe —stützen zu können. Das geht allerdings fehl, ist jedoch im Ergebnis unschädlich, weil die Klägerin hilfsweise ihren Schaden auch konkret berechnet hat. Darauf, dass sie äußerst hilfsweise auch den Rücktritt erklärt und „unmittelbar" Vertragsstrafe gefordert hat, braucht nicht eingegangen zu werden, da—falls nicht die von den Beklagten erklärte Vertragsanfechtung durchgreift— die Klägerin grundsätzlich wegen der Vertragsverletzung der Beklagten, wie sie in erster Linie fordert, Ersatz eines ihr etwa durch die einseitige Lossagung der Beklagten vom Bauwerkvertrag entstandenen Schadens fordern kann.
3.
a) Eine für sich allein nichtformbedürftige Vereinbarung ist auch dann notariell zu beurkunden, wenn sie mit einem Grundstücksvertrag rechtlich zusammenhängt. Dies ist dann der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart von- einander abhängig sind, dass die miteinander „stehen und fallen" sollen. Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und der andere Partner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitlicher Vertrag vor- liegen. Nicht erforderlich ist, dass an jedem der Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind.
b) Ob ein einheitliches Rechtsgeschäft in diesem Sinne vorliegt, ist im Einzelfall vom Tatrichter zu entscheiden. Wenn die insoweit maßgeblichen Umstände aber unstreitig sind, kann dies auch das Revisionsgericht tun. So ist es hier.
c) Hier sprechen die Umstände für das Fehlen eines rechtlichen Zusammenhangs. Die Parteien haben den Bauwerkvertrag für sich allein abgeschlossen und hierin keine Verpflichtung der Beklagten zum Grundstückserwerb aufgenommen. Die Niederlegung mehrerer selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden begründet die Vermutung, dass die Verträge nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen sollen. Ein Haus kann allerdings nicht ohne Grundstück errichtet werden. Das allein vermag aber den rechtlichen Zusammenhang der beiden Erwerbsverträge über Haus und Grundstück nicht zu begründen. Entscheidend ist vielmehr der Verknüpfungswille der Parteien. Hier ist nichts dafür dargetan, dass die Parteien etwa den Willen gehabt und zum Ausdruck gebracht hätten, der Bauwerkvertrag solle mit dem beabsichtigten Grundstückskaufvertrag „stehen und fallen". Bei der geschäftserfahrenen Klägerin kann ein solcher Wille schon deswegen nicht angenommen werden, weil sie dadurch den Bauwerkvertrag in den Bereich des Formzwangs nach §313 BGB gebracht hätte. Auch die Zusatzvereinbarung spricht gegen einen solchen Willen der Parteien, da sie bei rechtlichem Zusammenhang beider Verträge überflüssig gewesen wäre.
OLG Düsseldorf, LG Düsseldorf