Bundesgerichtshof Entscheidungen


10% als pauschaler Kündigungsschaden in Fertighausvertrag ist nicht zu beanstanden.

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im April 2006 folgende Entscheidung verkündet:

Die Klausel in einem Vertrag über die Errichtung eines Fertighauses
"Erfolgt eine Kündigung gleich aus welchem Grund, ohne dass sie von W. Haus (= Unternehmer) zu vertreten ist, hat W. Haus das Recht, eine pauschale Vergütung bzw. einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 10 % des zur Zeit der Kündigung vereinbarten Gesamtpreises zu verlangen, sofern nicht der Bauherr oder W. Haus im Einzelfall andere Nachweise erbringen" ermöglicht wirksam bei freier Kündigung des Bestellers eine pauschale Abrechnung in dieser Höhe, wenn der Unternehmer nicht daneben noch weitere Ansprüche geltend macht.*)

BGH, Urteil vom 27.04.2006 - VII ZR 175/05

Tatbestand:
Die Klägerin verlangt Zahlung einer Pauschale nach Kündigung eines Vertrages über die schlüsselfertige Errichtung eines Fertighauses. Die Beklagten unterzeichneten am 23. März 2002 einen "Werkvertrag über den Bau des W.-Hauses" zum Gesamtpreis von 394.788 €, der zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Bestätigung durch die Klägerin bedurfte. Die Klägerin bestätigte am 2. April 2002 den Vertrag unter Zugrundelegung einer teilweise modifizierten, aktuelleren Baubeschreibung sowie der ergänzenden Übersendung der Baubeschreibung für eine Garage mit der Bitte um Unterschrift. Die Beklagten sandten die Baubeschreibung für die Garage unterschrieben zurück und zahlten die vertraglich vorgesehene erste Rate. Für anschließende Ausstattungswünsche der Beklagten veranschlagte die Klägerin zusätzliche Kosten von 42.220 €. Da die Beklagten die Ansicht vertraten, die gewünschte Ausstattung sei bereits in der vertraglich geschuldeten Leistung enthalten, kam es zwischen den Parteien zum Streit. Die Beklagten erklärten die Anfechtung des Vertrages, hilfsweise kündigten sie fristlos. Später erklärten sie auch den Widerruf des Vertrages. Die Klägerin verlangt Zahlung von 10 % der Vergütung abzüglich der bereits gezahlten Rate, gestützt auf § 11 Nr. 3 des Vertrages, welcher lautet:
"Erfolgt eine Kündigung gleich aus welchem Grund, ohne dass sie von W. Haus (= Klägerin ) zu vertreten ist, hat W. Haus das Recht, eine pauschale Vergütung bzw. einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 10 % des zur Zeit der Kündigung vereinbarten Gesamtpreises zu verlangen, sofern nicht der Bauherr oder W. Haus im Einzelfall andere Nachweise erbringen". Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. 1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Vertrag sei mit dem Inhalt der Bestätigung vom 2. April 2002 zustande gekommen. Er sei nicht wegen Anfechtung der Beklagten nichtig, weil ein Anfechtungsgrund nicht vorliege.

2. Da ein wichtiger Grund für die Kündigung der Beklagten nicht vorgelegen habe, habe die Kündigung die Rechtsfolge des § 8 Nr. 1 Abs. 2 der ergänzend vereinbarten VOB/B ausgelöst. Die Pauschalierung von 10 % des vereinbarten Gesamtpreises in § 11 Nr. 3 des Vertrages halte der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB stand. Sie führe nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten.§ 11 Nr. 3 des Vertrages erfasse nicht einen Vergütungsanspruch bei Kündigung des Auftraggebers aus wichtigem Grund. Die Klausel erwecke beim Kunden keine unrichtige Erwartung über die finanziellen Belastungen im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung, da die Klägerin nur bei Vorliegen besonderer Umstände eine andere Berechnung vornehmen dürfe. Die Klausel verstoße auch nicht gegen § 308 Nr. 7 a BGB in dessen analoger Anwendung. Bei typisierender Betrachtungsweise derartiger vorzeitig beendeter Verträge sei die Klausel nicht unangemessen, weil sie nicht den allgemeinen Verwaltungsaufwand, die Provision sowie mögliche Vorhaltekosten zuzüglich des zu berücksichtigenden Gewinns übersteige. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5 BGB liege nicht vor.

3. Der in der Berufungsinstanz erklärte Widerruf durch die Beklagten stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, da ihnen ein Widerrufsrecht weder gemäß § 505 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch gemäß §§ 501, 499 Abs. 2, 495 Abs. 1, 355 BGB zustehe.

Dagegen wenden sich die Beklagten ohne Erfolg.

1.
Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Beklagten nicht berechtigt waren, ihre auf den Abschluss des Vertrages über die Lieferung und Errichtung des Fertighauses gerichteten Willenserklärungen zu widerrufen. Ein Vertrag, mit dem sich ein Unternehmer zur Lieferung und Errichtung eines Fertighauses verpflichtet, ist ein Werkvertrag (BGH, Urteil vom 10. März 1983 - VII ZR 302/82, BGHZ 87, 112). An dieser Qualifizierung ändert sich auch nichts aufgrund der Entscheidung des Senats vom 15. April 2004 (VII ZR 291/03, BauR 2004, 1152 = ZfBR 2004, 55), in der es um die Verpflichtung ging, ein standardisiertes und serienmäßig ausgestattetes Mobilheim zu liefern und auf vom Erwerber zu errichtende Fundamente zu stellen (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 - VII ZR 183/04, BauR 2006, 510 = ZfBR 2006, 240 = NZBau 2006, 237, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). In der zuletzt genannten, nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung hat der Senat ausgeführt, dass ein Verbraucher den Werkvertrag über die Errichtung eines Fertighauses weder nach §§ 505 Abs. 1 Nr. 1, 355 Abs. 1 BGB (Ratenlieferungsvertrag) noch nach §§ 501 Satz 1, 499 Abs. 2, 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB (Teilzahlungsgeschäfte) widerrufen kann.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten auch dagegen, dass das Berufungsgericht die Pauschalierung des Anspruchs in § 11 Nr. 3 des Vertrags für wirksam hält.

a) Das Berufungsgericht legt die Vertragsklausel richtig dahin aus, dass die Pauschale nur für den Fall der freien Kündigung des Bestellers gilt und nicht die Kündigung aus wichtigem Grund erfasst. Dies ergibt sich bereits aus ihrem Wortlaut sowie aus § 11 Nr. 1 des Vertrags, der auf die Kündigung aus § 8 VOB/B verweist. Die Vertragsklausel des §11 Nr. 3 befasst sich entgegen der Ansicht der Revision ihrem eindeutigen Wortlaut nach auch nicht mit Ansprüchen bei Unmöglichkeit oder bei Wegfall der Geschäftsgrundlage

b) Zutreffend ist auch die Erwägung des Berufungsgerichts, die anderweitige Nachweismöglichkeit in § 11 Nr. 3 des Vertrags sei dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin nicht generell, sondern nur bei Vorliegen besonderer Umstände eine andere Berechnung vornehmen dürfe. Dieses Verständnis entspricht der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 30. März 2000 - VII ZR 167/99, BauR 2000, 1195 = ZfBR 2000, 413 = NJW 2000, 3498; insofern in BGHZ 144, 133 nicht abgedruckt).

Von Rechts wegen nicht zu beanstanden ist auch die auf die Senatsrechtsprechung (Urteil vom 10. März 1983 - VII ZR 301/82, BauR 1983, 261 = ZfBR 1983, 125 = NJW 1983, 1491) gestützte weitere Erwägung des Berufungsgerichts, die Vertragsklausel sei dahin zu verstehen, dass der Unternehmer bei Kündigung nach teilweise durchgeführtem Vertrag, wenn er die konkrete Berechnung der Vergütung wählt, nicht ergänzend auf die Pauschale zurückgreifen kann, da bei Wahl der Pauschale der gesamte Anspruch abgegolten ist.
c) Mit diesem Verständnis ihres Inhalts gewährt die Pauschalierungsklausel auch bei Überprüfung in entsprechender Anwendung des § 308 Nr. 7 a BGB keine unangemessen hohe Vergütung.
Der Bundesgerichtshof hat zur analogen Anwendung des § 10 Nr. 7 a AGBG, der mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz inhaltsgleich als § 308 Nr. 7 a BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden ist, ausgeführt, dass 5 % der Auftragssumme als Pauschale ohne weiteres hinnehmbar sind (Urteil vom 8. November 1984 - VII ZR 256/83, BauR 1985, 79, 82 = ZfBR 1985, 81, 82).
Eine Pauschale von 18 % hat der Bundesgerichtshof als äußerst zweifelhaft bezeichnet (Urteil vom 8. November 1984 - VII ZR 256/83 aaO). Die Entscheidung, ob eine Vergütungsklausel von 10 % angemessen ist, hat der Senat bisher offen gelassen (Urteil vom 23. März 1995 - VII ZR 228/93, BauR 1995, 546 = ZfBR 1995, 199). Insoweit hat er es auch für bedeutsam gehalten, dass der Unternehmer in jenem Fall insgesamt mehr als 10 % des "endgültigen Kaufpreises" verlangte, nämlich neben der Pauschale zusätzliche Kosten für bereits im Vertragspreis enthaltene Zeichnungen.
Da die Klägerin hier keine zusätzlichen Kosten verlangt und nach dem zutreffenden Verständnis der Klausel auch nicht verlangen kann, ist nur die Angemessenheit einer Pauschale von 10 % zu beurteilen. Prüfungsmaßstab für die Angemessenheit ist, was ohne die Klausel vom Besteller geschuldet wäre. Im Falle der freien Kündigung hat der Unternehmer gemäß § 649 BGB Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart hat oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben unterlässt.
Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise weicht eine Pauschale von 10 % nicht unangemessen davon ab, was der Unternehmer in Anwendung des § 649 BGB zu beanspruchen hätte. Bei Abrechnung nach § 649 BGB sind neben den bereits geleisteten vertragsbezogenen Personal- und Sachkosten auch der kalkulierte Gewinn (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1997 - VII ZR 222/96, BauR 1998, 185 = ZfBR 1998, 79) und die allgemeinen Gemeinkosten (BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269) zu erstatten. Die Pauschalierung dieser Kosten mit 10 % des zur Zeit der Kündigung vereinbarten Gesamtpreises, gegen dessen Bestimmtheit entgegen dem Vorbringen der Revision keine Bedenken bestehen, ist nicht unangemessen. Weiterer Feststellungen zu den typischerweise anfallenden Aufwendungen, als sie bereits vom Berufungsgericht getroffen worden sind, bedarf es nicht