Instanzgerichte Entscheidungen


Bauherrengünstige Auslegung von Grundstücksvorbehalten


Im April 1991 hat der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm folgende Entscheidung verkündet:

Keine hohen Anforderungen für das Eingreifen eines Grundstücksvorbehalts - Entscheidungsfreiheit der Bauherrn als Leitlinie

OLG Hamm Urteil vom 24. April 1991 25 U 27/90

Die beiden Beklagten, die mit der Kl. einen Vertrag über ein Fertighaus geschlossen hatten, haben gemäß einer Vertragsklausel den Rücktritt erklärt, weil sie kein geeignetes Grundstück gefunden haben. Die Kl. besteht auf Vertragserfüllung. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.

Gründe:
Jegliche Ansprüche der Kl. aus dem Bauvertrag vom 6. 11. 1987 scheitern daran, dass die Beklagten wirksam von dem ihnen vertraglich eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht haben. Im Bauvertrag heißt es unter Rücktrittsrecht: „Für den Fall, dass kein Baugrundstück erworben werden kann, wird dem Bauherrn ein Rücktrittsrecht ohne jede Abstandszahlung oder Kosten gewährt, ..." Eine Ausnahme von der Kostenfreiheit sollte nur dann gelten, wenn der Unternehmer bereits Vorleistungen erbracht hatte, was hier nicht der Fall ist. Die Beklagten haben von dieser Rücktrittsklausel wirksam Gebrauch gemacht, nachdem sie über längere Zeit hinweg kein Grundstück erwerben konnten, welches im Rahmen ihrer Vorstellungen und finanziellen Möglichkeiten zur Bebauung mit dem bei der Kl. bestellten Fertighaus geeignet war.
Die zwischen den Parteien ausgehandelte
Rücktrittsvereinbarung ist auslegungsbedürftig. Sie legt den Rahmen, in welchem den Bekl. ein Rücktritt vorbehalten bleiben sollte, nicht ausdrücklich und eindeutig fest. Das weite Verständnis, welches die Kl. der Klausel beimessen will, kann ersichtlich nicht zutreffen. Es wäre sinnlos gewesen, den Bekl. ein Rücktrittsrecht lediglich für den Fall vorbehalten zu wollen, dass sie objektiv überhaupt kein geeignetes Baugrundstück, und zwar unabhängig von Größe, Preis und örtlicher Lage, erwerben können sollten. Dieser Fall kann praktisch gar nicht eintreten. Vor dem Hintergrund der seinerzeit zwischen den Parteien schwebenden Vertragsverhandlungen konnte der von den Beklaten ausbedungene Rücktrittsvorbehalt sinnvollerweise nur so verstanden werden, dass die Entscheidungsfreiheit der Beklagten hinsichtlich des noch zu erwerbenden Baugrundstücks nicht ernsthaft eingeschränkt werden sollte. Die Eignung eines Baugrundstücks setzt sich für den Bauherren aus verschiedenen Komponenten zusammen. Es muss zum einen für das geplante Haus von Größe und Zuschnitt her geeignet sein, andererseits darf die Grundstücksgröße jedoch nicht die Vorstellungen und Wünsche des Bauherren an das Grundstück selbst übersteigen. Darüber hinaus muss der Gesamtumfang des Bauvorhabens, d. h. Grundstück und Haus zusammen, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten bleiben. Dazu gehört, dass - wie im vorliegenden Falle beiden Parteien klar war - die noch offene Finanzierungszusage des hinter dem Bauherren stehenden Geldinstituts von großer Bedeutung ist. Dass sich ein Besteller in einem Falle wie dem vorliegenden unabhängig von diesen Vorfragen ohne weiteres an der Bestellung eines Fertighauses festhalten lassen will, kann der Verkäufer, der sich einen derartigen Rücktrittsvorbehalt abhandeln lässt, nicht ohne weiteres annehmen. Gegenteiliges müsste die Kl. beweisen. Sie hat insoweit keinen Beweis angetreten.
Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten der Beklagten liegen nicht vor. Da ihr Finanzierungsinstitut die Zusage für die Durchführung des Bauvorhabens auf dem ursprünglich ins Auge gefassten Grundstück verweigert hatte, blieb den Beklagten letztlich keine andere Wahl, als dieses Vorhaben aufzugeben. Dass sie schließlich aus finanziellen Gründen ein mit einem Rohbau bebautes kleineres Grundstück aus einer Zwangsversteigerung erwarben, lässt sich ebenfalls nicht als treuwidrig erkennen. Schließlich hat die Kl. nicht dargelegt, dass die Beklagten sich gegebenenfalls nicht in ausreichendem Maße um den Erwerb eines Grundstücks bemüht hätten, welches doch noch im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Mittel für das mit der Kl. geplante Bauvorhaben geeignet gewesen wäre. Die Rücktrittserklärung der Beklagten liegt spätestens in dem Anwaltsschreiben vom 25. 4. 1989 ...
Die Beklagten haben nach alldem von dem kostenfreien vertraglichen Rücktrittsrecht wirksam Gebrauch gemacht. Wollte man im übrigen - wie die Kl. vorträgt - die vertragliche Rücktrittsklausel über ihren Wortlaut hinaus dahingehend verstehen, dass die Beklagten in jedem Falle verpflichtet gewesen wären, das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits ins Auge gefasste Grundstück zu erwerben und der Kl. zwecks Errichtung des Fertighauses zur Verfügung zu stellen, so würden etwaige Ansprüche der Kl. mangels Wirksamkeit des Bauvertrages scheitern (§§ 125, 313 BGB). In dem Falle hätten die Parteien nämlich den Bauvertrag mit einer Grundstückserwerbsverpflichtung der Beklagten rechtlich in der Weise verbunden, dass die beiden Rechtsgeschäfte miteinander „stehen oder fallen“ sollten. Die Formbedürftigkeit der Grundstückserwerbsverpflichtung hätte in dem Falle auch den an sich nicht formbedürftigen Bauvertrag beurkundungspflichtig gemacht. Unmaßgeblich ist in einem solchen Falle, dass die beiden Rechtsgeschäfte zwischen jeweils unterschiedlichen Parteien hätten abgewickelt werden müssen (BGHZ 76, 43 = NJW 1980, 829 = LM § 313 BGB Nr. 87; BGHZ 78, 346 = NJW 1981, 274 = LM § 313 BGB Nr. 89 L; BGH, ZIP 1985, 291; OLG Hamm, DNotZ 1982, 367; NJW-RR 1989, 1366).