Instanzgerichte Entscheidungen


Formbedürftigkeit des Werkvertrags bei Verknüpfungswillen des Unternehmers hinsichtlich eines Grundstückserwerbs

Im August 2010 hat die 5. Kammer des Landgerichts Halle folgende Entscheidung verkündet:

1. Der Formzwang des § 311 b Abs. 1 BGB erstreckt sich auch auf den Bauvertrag, wenn dieser mit dem Grundstückskaufvertrag eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen hatten, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollten.
2. Hierbei reicht es auch aus, wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und der andere Vertragspartner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt. Es ist dabei nicht erforderlich, dass an jedem der verknüpften Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind.

LG Halle, Urteil vom 27.08.2010 - 5 O 837/09

Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Zahlungsansprüche wegen der Nichtdurchführung eines Fertighausvertrages geltend. Die Klägerin verkauft und errichtet Fertighäuser. Sie präsentiert sich im Internet unter der Überschrift "Ihr Weg zum eigenen L - In 8 Schritten zu den eigenen vier Wänden" . Die Schritte reichen von 1. Beratung, 2. Grundstück ... bis 8. Einzug. Unter "1. Beratung" heißt es:
"1. Grundlegende Beratung Bei L müssen Sie nicht zum Hausbau-Experten werden. Sie können sich auf die Erfahrung unserer Gebietsverkaufsleiter voll verlassen. Grundlage unserer Arbeit sind Ihre Wünsche und Vorstellungen. Diese werden vorab detailliert besprochen. Gezielt beraten wir Sie zu allen Fragen der Bauabwicklung, Finanzierung und Energieversorgung, um die auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösung zu finden."
Unter "2. Grundstück" heißt es: "2. Grundstückssuche Unsere Experten kennen den Markt und haben attraktive Grundstücke im Angebot. Nennen Sie uns einfach Ihre Vorstellungen hinsichtlich Lage, Größe und Bebaubarkeit. Eine Auswahl unserer Angebote finden Sie auf unserer Internet-Grundstücksbörse. Sie haben bereits ein Grundstück? Gerne zeigen wir Ihnen vor Ort, wie Sie ihre Vorstellungen vom Traumhaus dort optimal umsetzen."

Die Bemühungen der Klägerin um die Beschaffung eines Grundstücks setzen regelmäßig erst nach Abschluss des Hausvertrages ein, wenn es der Besteller wünscht. Die Beklagten wandten sich an den Baufachberater der Klägerin vor Ort, Herrn W, und schlossen nach umfangreichen Vorverhandlungen vom 13.07., 19.07. und 22.07.2007 am 25.07./31.07.2007 mit der Klägerin einen privatschriftlichen Vertrag über die Lieferung und Errichtung eines L-Fertighauses ab Oberkante Kellerdecke zum Preis von 113.500,00 Euro inclusive Mehrwertsteuer. Darin vereinbarten die Parteien ein kostenloses Rücktrittsrecht der Beklagten, falls diese ihren aktuellen Mietvertrag nicht vorfristig würden kündigen können. Nachdem die Beklagten den Hausvertrag unterzeichnet hatten, nahm Herr W mit den Beklagten per E-Mail Kontakt auf und schlug diverse Grundstücke zum Kauf vor. Im April 2008 zogen die Beklagten in eine neue Wohnung um. Mit Schreiben vom 29.09.2008, kündigten die Beklagten den Fertighausvertrag mit der Begründung, sie hätten kein geeignetes Grundstück für die Bebauung gefunden. Daraufhin stellte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 27.10.2008 unter Verweis auf Ziff. 5.3 der Vertragsbedingungen (10% des Hauspreises) eine Abstandssumme von 10.760,00 Euro in Rechnung, wobei sie vom vereinbarten Hauspreis zuvor auf Kulanzbasis 5.900,00 Euro abgezogen hatte, weil Planungsleistungen noch nicht erbracht worden waren. Mit Schreiben vom 03.12.2008 mahnte die Klägerin diese Summe zur Überweisung innerhalb der nächsten 14 Tage an. Die Klägerin behauptet, die Herstellungskosten machten in der Regel nur 64% des Nettovertragspreises aus. Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin 10.760,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus ab 15.12.2008 zu bezahlen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Sie sind der Ansicht, der Hausvertrag sei nichtig, weil er hätte notariell beurkundet werden müssen. Weiterhin sind sie der Ansicht, die in Ziff. 5.3 der Vertragsbedingungen vorgesehene Pauschale sei unangemessen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass sie auf der Grundlage des Bruttopreises berechnet werde, obwohl Umsatzsteuer nicht angefallen sei.

Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.

I. A. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 10.760,00 Euro aus Ziff. 5.3 des Hausvertrages vom 25.07./31.07.2007 oder aus § 649 BGB. Der zwischen den Parteien geschlossene Hausvertrag - ein Werkvertrag - ist gemäß §§ 125, 311 b Abs. 1 S. 1 BGB nichtig. Der Vertrag hätte im vorliegenden Fall notariell beurkundet werden müssen. Zwar ist ein Bauvertrag grundsätzlich nicht beurkundungsbedürftig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der Formzwang des § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB jedoch auf den Bauvertrag erstrecken. Die vom Bundesgerichtshof hierfür entwickelten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

1. Zur notariellen Formbedürftigkeit eines Bauvertrages hat der BGH in ständiger Rechtsprechung folgende Grundsätze aufgestellt, zuletzt in seiner Entscheidung vom 12.02.2009, Az. VII ZR 230/07, NJW-RR 2009, 953 ff.:

a) Der Formzwang des § 311 b Abs. 1 BGB erstreckt sich auch auf den Bauvertrag, wenn dieser mit dem Grundstückskaufvertrag eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen hatten, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollten. Hierbei reicht es auch aus, wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und der andere Vertragspartner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt. Es ist dabei nicht erforderlich, dass an jedem der verknüpften Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind (BGH a. a. O., unter II.1. m. w. N.).

b) Eine rechtliche Einheit eines Bauvertrages mit einem Grundstücksgeschäft besteht allerdings nicht bereits dann, wenn der Bauvertrag von dem Grundstückskaufvertrag abhängig ist, sondern nur, wenn umgekehrt das Grundstücksgeschäft nach dem Willen der Parteien von dem Bauvertrag abhängig ist. Denn erst bei einer Abhängigkeit des Grundstücksgeschäfts von dem Bauvertrag besteht Anlass, zur Wahrung der Funktionen des § 311 b BGB (Warn- und Schutzfunktion, Gewährsfunktion für richtige, vollständige und rechtswirksame Wiedergabe des Parteiwillens, Beweisfunktion) das Formgebot auf den Bauvertrag auszudehnen. An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn zunächst der Bauvertrag und alsdann der Grundstücksvertrag geschlossen werden soll. Die Frage der Formbedürftigkeit ist von der zeitlichen Abfolge der Verträge nicht abhängig (BGH a. a. O., unter II.2. m. w. N.). Es ist Sache des Tatrichters, festzustellen, ob eine solche Abhängigkeit des Grundstückskaufvertrages vom Bauvertrag besteht (BGH a. a. O., unter II.3. m. w. N.).

2. a) Zur Verknüpfung des Bauvertrages mit einem Grundstückskaufvertrag in der Weise, dass sie miteinander stehen und fallen sollen, genügt es, wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und der andere Vertragspartner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt.
Hier hat die Klägerin nicht nur erkannt, dass die Beklagten den Abschluss des Bauvertrages mit einem Grundstückskaufvertrag verknüpfen wollten, sie hat durch ihren Internetauftritt und ihre Verkaufspolitik diesen Verknüpfungswillen geradezu provoziert. Nach ihrem eigenen Vortrag gehört es zu ihren Serviceleistungen, ihre Kunden bei der Suche nach einem geeigneten Baugrundstück zu unterstützen. Indem die Klägerin auf ihrer Internetseite als ersten Schritt auf dem Weg zum L die grundlegende Beratung stellt, dem Kunden verspricht, er müsse nicht zum Hausbau-Experten werden, weil er sich auf die Erfahrung des Gebietsverkaufsleiters voll verlassen könne, der alles nach den Wünschen des Kunden regeln werde, und die eigenen Experten gleich im zweiten Schritt mit der Grundstückssuche in Zusammenhang bringt, suggeriert sie, dass sich ihre Kunden darauf verlassen können, dass das erforderliche Zusammenspiel zwischen Grundstückskauf und Bauvertrag von der Klägerin geregelt werden würde. Indem sie im zweiten Schritt außerdem schreibt "Nennen Sie uns einfach Ihre Vorstellungen hinsichtlich Lage, Größe und Bebaubarkeit." suggeriert sie weiter, dass sie in der Lage sei, auch die Auswahl des Grundstücks nach den Wünschen des Kunden zu regeln. Die Klägerin wusste auch, dass die Beklagten im vorliegenden Fall erst noch ein Grundstück erwerben mussten, anderenfalls ihr Baufachberater nach Abschluss des Hausvertrages den Beklagten nicht mehrere Grundstücke zum Kauf vorgeschlagen hätte. Nach alldem haben die Beklagten auf dem Hintergrund des Internetauftritts der Klägerin und deren Geschäftspolitik einen Einheitswillen zwischen Bauvertrag und Grundstückskaufvertrag zu erkennen gegeben und die Klägerin den von ihr selbst provozierten Einheitswillen zumindest hingenommen. Dieser von der Klägerin provozierte Einheitswille der Beklagten setzte sich auch nach dem Abschluss des Hausvertrages noch fort, als die Beklagten den Grundstücksservice der Klägerin dann auch tatsächlich in Anspruch nahmen. Hieran ändert auch nichts, dass die Klägerin in Ziff. 2.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen hat: "Der Hausvertrag soll unabhängig von Verträgen gelten, die der Grundstücksbeschaffung dienen. Einen rechtlichen Zusammenhang zwischen der Grundstücksbeschaffung und diesem Hausvertrag wünschen die Parteien nicht." Abgesehen davon, dass sich einem rechtlichen Laien die Konsequenzen dieser beiden Sätze nicht erschließen, genügt ein bloßer Hinweis in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht, um den einmal durch Internetauftritt und Verkaufspolitik provozierten Einheitswillen des Kunden zu zerstören.

b) Eine zu einer Beurkundungsbedürftigkeit führende rechtliche Einheit eines Bauvertrages mit einem Grundstücksgeschäft besteht nicht bereits dann, wenn der Bauvertrag von dem Grundstückskaufvertrag abhängig ist, sondern nur, wenn umgekehrt das Grundstücksgeschäft nach dem Willen der Parteien von dem Bauvertrag abhängig ist. Die zeitliche Reihenfolge der Verträge spielt für die Frage der Formbedürftigkeit keine Rolle.
Im vorliegenden Fall hatten die Beklagten den Abschluss des Grundstückskaufvertrages vom Abschluss des Bauvertrages abhängig gemacht. Ein Grundstück wollten sie nur kaufen, um darauf ein L errichten zu können. Für sie stand im Vordergrund, dass sie in einem L leben wollten, für das sie ein geeignetes Grundstück brauchten. Es war nicht umgekehrt, dass sie es auf ein bestimmtes Grundstück abgesehen hatten und hierfür eine geeignete Bebauung suchten. Damit war der Abschluss des Grundstückskaufvertrages vom Abschluss des Bauvertrages abhängig, der Bauvertrag über das L stand im Vordergrund und musste daher wegen seiner Verknüpfung mit einem Grundstückskaufvertrag, die nach dem erkennbaren Willen der Beklagten bestand (vgl. oben a)), besondere Anforderungen an Warnung und Schutz, Gewähr für richtige, vollständige und rechtswirksame Wiedergabe des Parteiwillens und des Beweises erfüllen, die nur durch die notarielle Form gewährleistet sind. Dafür, dass der Bauvertrag über ein L im Vordergrund stand und der Grundstückskauf nur davon abhängiges Nebenprodukt war, spricht im Übrigen auch der eigene Vortrag der Klägerin auf S. 9 ihres Schriftsatzes vom 09.09.2009 , in dem sie sich darauf beruft, dass die Bemühungen um die Beschaffung eines Grundstückes erst nach Abschluss des Hausvertrages einsetzen, wenn der Besteller es wünscht.
3. Soweit sich die Klägerin auf die Entscheidungen des OLG Celle vom 15.02.2006, Az. 3 U 192/05, und des KG Berlin vom 20.06.2008, Az. 7 U 8/08, beruft, hat sie auf S. 3 ihres Schriftsatzes vom 07.06.2010 unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 12.02.2009, Az. VII ZR 230/07, NJW-RR 2009, 953 ff. nun selbst erkannt, dass der Vereinbarung oder Nichtvereinbarung eines kostenlosen Rücktrittsrechts neuerdings keinerlei Indizwirkung für oder gegen einen Verknüpfungswillen der Parteien mehr beigemessen wird und die Entscheidungen des OLG Celle und des KG Berlin damit überholt sind.
Wenn die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 07.06.2010 weiter meint, aus der soeben zitierten Entscheidung des BGH ergebe sich, dass ein Verknüpfungswille nur in Betracht komme, wenn das vorgesehene und noch zu erwerbende Baugrundstück konkret und ausdrücklich im Bauvertrag bezeichnet sei, so irrt sie hier. Unter II.3.a) der Entscheidungsgründe hat der BGH lediglich festgestellt, dass dies ein geeignetes und starkes Indiz sei. Im vorliegenden Fall ergibt sich der Verknüpfungswille, der nur bei einer Vertragspartei vorliegen muss, wenn er von der anderen erkannt wird, aus dem Internetauftritt und der Geschäftspolitik der Klägerin in Verbindung mit der Tatsache, dass die Klägerin wusste, dass die Beklagten bei Abschluss des Hausvertrages noch kein geeignetes Grundstück hatten.