Instanzgerichte Entscheidungen


Unwirksamkeit eines unklar formulierten Finanzierungsvorbehalts und einer unklar formulierten Bindefrist

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat im Juli 2013 folgende Entscheidung verkündet:

1. Eine formularmäßig vereinbarte Bindefrist ist unwirksam, wenn der Vertragspartner des Verwenders nicht berechnen kann, wann die Bindung an sein Angebot endet.
2. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von AGB, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar, einfach und präzise darzustellen.


OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.07.2013 - 23 U 91/13

Gründe
I. Die Parteien streiten über die Abrechnung eines Fertighausvertrages. Der Beklagte unterzeichnete am 25.06.2004 einen ihm von dem nicht vertretungsberechtigten Verkaufsberater Willi P. vorgelegten "Hausvertrag", der einen Gesamtpreis i.H.v. 96.680 Euro vorsah. Unter § 13 des "Hausvertrages" heißt es:

"Mit der Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages trägt der Bauherr A. -Haus den Abschluss des vorliegenden Vertrags an. A.-Haus kann diesen Antrag innerhalb eines Monats nach Eingang des vorliegenden Vertrags bei A.-Haus annehmen."

In einer gesondert unterzeichneten Anlage zum Hausvertrag heißt es:

"1. Der Bauherr wird für das geplante Bauvorhaben unverzüglich bei einer Bank, Hypothekenbank, Sparkasse oder Bausparkasse eine Finanzierung beantragen. Er verpflichtet sich, alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die beantragte Finanzierung kurzfristig zu erhalten.

2. Dem Bauherrn steht das Recht zu, nach § 346 BGB vom Hausvertrag zur
ückzutreten, wenn er die vorbenannte Gesamtfinanzierung verbindlich nicht bis spätestens zum 25.06.2005 zugesagt erhält, obwohl er sie rechtzeitig und ordnungsgemäß beantragt hat.
3. Der Bauherr muss durch Vorlage der Beantragung der Gesamtfinanzierung und eines abschl
ägigen Finanzierungsbescheides eines Kreditinstitutes nachweisen, dass diese Rücktrittsvoraussetzung vorliegt. Der Bauherr kann den Rücktritt nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen erklären, die mit dem Tag beginnt, an dem er den vorbenannten abschlägigen Finanzierungsbescheid erhalten hat. Erklärt er den Rücktritt nicht innerhalb dieser Frist, ist der Rücktritt ausgeschlossen und der Vorbehalt damit entfallen."

Die Klägerin erklärte die Vertragsannahme mit Schreiben vom 02.08.2004, nachdem der "Hausvertrag" am 07.07.2004 bei ihr einging. Ihr Schreiben ging vor dem 07.08.2004 bei dem Beklagten zu. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 09.09.2004 mit, dass er den "Hausvertrag" kündigen müsse aufgrund einer für ihn unmöglichen Finanzierung. Seinen Schreiben fügte er ein Schreiben der Volksbank Mönchengladbach eG vom 2. September 2004 bei, in dem diese mitteilt, dass die Finanzierung des Objektes nicht zustande komme.
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Beklagte keinen ordnungsgemäßen Kreditantrag gestellt habe. Sein Rücktritt sei daher unwirksam gewesen. Sie hat zunächst eine pauschale Vergütung i.H.v. 15 % des Werklohns verlangt, sodann aber auch über ihren Anspruch gemäß § 649 BGB abgerechnet.
Der Beklagte ist der Abrechnung entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass bereits kein Vertrag zustande gekommen sei. Jedenfalls sei er wirksam von dem Vertrag zurückgetreten.
Durch die angefochtene Entscheidung, auf die verwiesen wird, hat das Landgericht nach Beweisaufnahme über die Abrechnung den Beklagten zur Zahlung i.H.v. 14.502 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2006 verurteilt.
Der Beklagte kündigt an, Berufung gegen das Urteil einzulegen und begehrt hierfür Prozesskostenhilfe.

II. Dem Beklagten ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil eine Berufung, die er nach Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag noch einlegen kann, Aussicht auf Erfolg hat.

1. Ein Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist nicht zustande gekommen, so dass der Klägerin keine Ansprüche gemäß § 649 BGB zustehen.
Zwar hat die Klägerin die Annahme des Angebots des Beklagten innerhalb der Frist gemäß § 13 des Hausvertrages erklärt. Die Klausel über die Bindungsfrist ist jedoch nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Gemessen an den nach § 306 Abs. 2 BGB eingreifenden Vorgaben des § 147 Abs. 2 BGB ist die Annahme aber zu spät erklärt worden und war der Antrag zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen (§ 146 BGB). Die Bindungsfrist in § 13 des Hausvertrages ist gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie nicht dem Bestimmtheitsgebot entspricht. Ein Durchschnittskunde muss ohne Schwierigkeiten und ohne rechtliche Beratung feststellen können, wann die Bindung an sein Angebot endet. Unzulässig sind daher Klauseln, die den Fristbeginn von Ereignissen außerhalb der Kenntnissphäre des Kunden abhängig machen, etwa vom Eingang der Erklärung beim Verwender (BGH, Urteil vom 06.12.1984 - VII ZR 227/83; OLG München, Urteil vom 23.12.2004 - 19 U 4162/04; Wurmnest, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 308 Rz. 8), wie es § 13 des "Hausvertrages" vorsieht.
Gemäß § 147 Abs. 2 BGB kann ein Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Annahmeerklärung unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Die nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Annahmefrist setzt sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Antrages an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegenszeit sowie der Zeit der Übermittlung der Antwort an den Antragenden. Sie beginnt daher schon mit der Abgabe der Erklärung und nicht erst mit deren Zugang bei dem Empfänger. Gemessen daran ist die Annahme des Angebots zu spät erklärt worden. Selbst bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren Abschluss regelmäßig eine Bonitätsprüfung vorausgeht, kann der Eingang der Annahmeerklärung jedenfalls innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen erwartet werden (BGH, Urteil vom 11.06.2010 - V ZR 85/09 für den Kauf einer Eigentumswohnung). So liegt der Fall auch hier. Gründe, die eine längere Frist rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Frist von vier Wochen endete am 23.07.2004, die Klägerin trägt selbst vor, erst am 02.08.2004 die Annahme erklärt zu haben. Danach konnte durch die Annahmeerklärung der Klägerin ein Vertrag nicht zustande kommen, ihre Annahmeerklärung war vielmehr ein neues Angebot (§ 150 Abs. 1 BGB). Zu einer Annahme dieses neuen Angebotes durch den Beklagten ist nichts dargetan. Eine Annahmeerklärung durch Schweigen kommt schon angesichts der besonderen Bedeutsamkeit des Rechtsgeschäftes nicht in Betracht (BGH, a. a. O., Tz. 16). Ebenso kommt eine Annahmeerklärung durch schlüssiges Verhalten nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht davon ausgegangen ist, dass für das Zustandekommen des Vertrages möglicherweise noch eine Erklärung erforderlich sei (BGH, a. a. O., Tz. 18).

2.
Darüber hinaus ist der Beklagte wirksam von dem Vertrag zurückgetreten, weil er vor dem 25.06.2005 den Rücktritt unter Bezugnahme auf die gescheiterte Finanzierung erklärt hat.
Der Wirksamkeit des Rücktritts steht entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht entgegen, dass er seiner Rücktrittserklärung keine Unterlagen zur Beantragung der Finanzierung beigefügt hatte.
Die von der Klägerin in der Anlage zum Hausvertrag verwendeten Klauseln halten einer Prüfung anhand des Maßstabs des Transparenzgebotes nicht stand. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen (BGH, Urteil vom 06.12.2007 - VII ZR 28/07). Wenn auch die Transparenzanforderungen nicht überspannt werden dürfen und die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des Möglichen besteht, so genügen die von der Klägerin verwendeten Klauseln den Anforderungen des Transparenzgebotes gleichwohl nicht. So bleibt in Ziffer 2 völlig unklar, welche Handlungen erforderlich sind, damit die "Gesamtfinanzierung" als "ordnungsgemäß beantragt" gilt. Ebenso bleibt offen, unter welchen zeitlichen Voraussetzungen sie "rechtzeitig" beantragt worden ist, zumal in Ziffer 1 vorgesehen ist, dass der Bauherr "unverzüglich" eine Finanzierung beantragt. Im Zusammenhang mit der weiträumigen Frist des Rücktritts für den Fall des Scheiterns der Finanzierung ist es sehr zweifelhaft, ob der Begriff "rechtzeitig" in Beziehung zu der Rücktrittsfrist zu setzen ist oder zur unverzüglichen Beantragung, wie sie Ziffer 1 vorsieht. Ebenso intransparent ist die Regelung in Ziffer 3. So bleibt nach dieser Regelung völlig unklar, was der Bauherr konkret zum Nachweis vorlegen muss. Die Formulierung "Vorlage der Beantragung der Gesamtfinanzierung" lässt etwa offen, ob der Bauherr auch sämtliche von ihm eingereichte Unterlagen - wie z.B. Selbstauskünfte oder Verdienstbescheinigungen oder Angebote über durchzuführende Handwerkerarbeiten - beifügen muss. Aus der Klausel ist nicht klar zu erkennen, welche Anforderungen an den Nachweis gestellt werden. Schließlich lassen Ziffer 1 und Ziffer 3 völlig offen, zu welchen Konditionen der Bauherr ein Darlehen aufnehmen "muss". Im Hinblick auf besondere Risiken in der Person des Bauherrn oder des Bauvorhabens können die für ein Darlehen zu zahlenden Zinsen erheblich differerieren. Die Klausel erweckt den Eindruck, dass der Bauherr auch ein für ihn unwirtschaftliches Darlehen in Anspruch nehmen muss, wenn es ihm nur so gelingt, die Finanzierung zu erhalten.
Zudem bestehen erhebliche Bedenken gegen Ziffer 3 im Hinblick auf § 309 Nr. 12 BGB, wonach der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils nicht ändern darf. Durch Ziffer 2 Satz 1 wird dem Bauherrn ein Rücktrittsrecht unter einer (negativen) Bedingung eingeräumt, nämlich dass er die vorbenannte Gesamtfinanzierung nicht bis zu einem bestimmten Termin zugesagt erhält. Für die Beurteilung, ob sich der Bauherr auf diese (negative) Bedingung berufen darf, gilt § 162 Abs. 2, wonach der Eintritt einer Bedingung als nicht erfolgt gilt, wenn die Partei, zu deren Vorteil er gereicht, ihn wider Treu und Glauben herbeiführt. Nach der gesetzlichen Regelung wäre es also Sache der Klägerin darzulegen und zu beweisen, dass der Bauherr treuwidrig den Eintritt der (negativen) Bedingung herbeigeführt hat. Hiervon weichen die Klauseln ab, indem dem Bauherrn der Nachweis auferlegt wird, dass er sich ausreichend darum bemüht hat, den Bedingungseintritt zu vermeiden.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist der Passus von Ziffer 2 "obwohl er sie rechtzeitig und ordnungsgemäß beantragt hat" ebenso unwirksam wie die Regelung zum Nachweis der Rücktrittsvoraussetzung in Ziffer 3. Als sprachlich und inhaltlich abtrennbare Regelung wirksam ist demgegenüber das in Ziffer 2 eingeräumte Rücktrittsrecht, das der Beklagte unstreitig ausgeübt hat.