Bundesgerichtshof Entscheidungen


Formpflicht des Bauvertrags wenn mit Zeitungsanzeige der sichere Eindruck erweckt wird, dem Bauherrn auch das für die Errichtung des Hauses erforderliche Grundstück zu verschaffen

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im November 1980 folgende Entscheidung verkündet:

Zur Frage, wann ein Bauvertrag notariell beurkundet werden muß, weil er mit dem in Aussicht genommenen Grundstückserwerb eine rechtliche Einheit bildet .

BGH, Urteil vom 6. November 1980 - VII ZR 12/80 - OLG Schleswig

Tatbestand:
Die Klägerin ist ein größeres Unternehmen, das sich mit der schlüsselfertigen Herstellung von Häusern befaßt. Ende April 1976 bot sie in einer Zeitungsanzeige unter ihrer Firma »1/2 Doppelhaus« in N. mit einem hierauf entfallenden Grundstücksanteil von 350 qm für 185 000 DM an. Der Beklagte unterschrieb am 11. August 1976 ein Formular, in dem er die Klägerin mit der Anfertigung der Bauzeichnungen und dem Bau eines halben Doppelhauses beauftragte. Unter Berücksichtigung einiger Mehr- und Minderleistungen sollte er einen Festpreis von 140 465 DM, und zwar in vom Baufortschritt abhängigen Raten zahlen. Die Klägerin bestätigte die Annahme des Auftrags mit Schreiben vom 20. August 1976.
Für den Erwerb des zu bebauenden Grundstücks war ein besonderer Vertrag vorgesehen. Eigentümer dieses Grundstücks war der Filialleiter der Klägerin.
Mit Schreiben vom 17. September 1976 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß der Kaufvertrag über das für ihn reservierte Grundstück am 23. oder 24. September von einem bestimmten Notar beurkundet werden sollte. Der Beklagte erschien dort jedoch nicht. Nachdem die Klägerin ihn zur Zahlung der bei Annahme des »Haus-Auftrags« fällig gewordenen ersten Rate von 5% des Festpreises, also in Höhe von 7 023,25 DM, erinnert hatte, erwiderte er, daß das Bauvorhaben für ihn »nicht mehr existent« sei.
Unter Hinweis auf ihre Allgemeinen Vertragsbedingungen verlangt die Klägerin jetzt die 7 023,25 DM nebst Zinsen als »Abstandssumme für geleistete Vorarbeiten«. Der Beklagte hält den Bauvertrag für nichtig.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.


Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht versagt der Klägerin etwaige Ansprüche schon deshalb, weil der nur privat schriftlich geschlossene Bauvertrag nach § 125 BGB nichtig sei. Für d asGrundstück, auf dem die vom Beklagten bestellte Hälfte des Doppelhauses gebaut werden sollte, sei zwar ein gesonderter, von einem Notar zu beurkundender Kaufvertrag vorgesehen gewesen. Der Erwerb des Grundstücks habe aber nach den hier maßgeblichen Umständen trotz äußerlicher Trennung der Verträge inhaltlich bereits zum Bauvertrag gehört, so daß auch dieser Vertrag nach § 313 BGB hätte beurkundet werden müssen.
Das ist nicht zu beanstanden. Was die Revision dem entgegenhält, greift nicht durch.
1. In BGHZ 76,43 hat der Senat allerdings einen privat- schriftlichen »Bauwerksvertrag« über ein Fertighaus als rechtswirksam behandelt, obwohl die Auftraggeber sich auch in jenem Fall das Grundstück, auf dem das Fertighaus errichtet werden sollte, noch verschaffen mußten. Der Senat hat damals zunächst darauf abgestellt, daß die »Bauherren« sich in dem Vertrage weder unmittelbar noch mittelbar zum Erwerb des für das Fertighaus vorgesehenen Grundstücks verpflichtet hatten.
Dabei hat er darauf hingewiesen, daß eine etwaige Verpflichtung zum Schadensersatz als beachtlicher »mittelbarer Zwang« zum Grundstückserwerb nicht anerkannt werden könne. Wer in der Erwartung, demnächst ein bestimmtes Grundstück erwerben zu können, Verträge im Hinblick auf dieses Grundstück abschließe, handele auf eigenes Risiko, wenn sich seine Erwartung zum Grundstückserwerb - gleich aus welchem Grunde - nicht erfülle (aaO S. 47 mit Nachw.; dazu Schmidt ZfBR 1980,170 ff). Sodann hat der Senat damals geprüft, ob Bauvertrag und in Aussicht genommener Grundstückserwerb in jenem Falle nach dem Willen der Vertragsparteien eine rechtliche, also nicht nur eine tatsächliche oder wirtschaftliche Einheit bilden sollten und deshalb der vollständigen Beurkundung bedurften. Er hat diese Frage unter Würdigung der dort gegebenen Umstände verneint (aaO S. 48 f).

2. Hier ist es anders. Zwar enthält der Bauvertrag ebensowenig wie in jenem Falle eine unmittelbare oder mittelbare Verpflichtung zum Grundstückserwerb; daß er dazu aufgrund »mittelbaren Zwanges« genötigt werde, hat der Beklagte denn auch nicht vorgebracht. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht aber an, daß hier der Erwerb des für die Bebauung bestimmten Grundstücks bereits in die rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Parteien einbezogen war, Bauvertrag und Grundstückskaufvertrag mithin rechtlich eine Einheit bilden sollten.

a)
Bauvertrag und Grundstückserwerbsvertrag stehen in rechtlichem Zusammenhang, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Beteiligten derart voneinander abhängig sind, daß sie miteinander »stehen und fallen« sollen. Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen läßt und der andere Partner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitlicher Vertrag vorliegen. Nicht erforderlich ist, daß an jedem der Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind (Senatsurteil aaO S. 49 mit Nachw.). Die Niederlegung mehrerer selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden begründet zwar die Vermutung, daß die Verträge nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen sollen. Auch daß ein Haus nicht ohne Grundstück errichtet werden kann, vermag den rechtlichen Zusammenhang nicht ohne weiteres zu begründen. Ausschlaggebend ist aber der Verknüpfungswille der Beteiligten (Senatsurteil aaO S. 49).

b)
Ob ein beurkundungsbedürftiges einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, hat im Einzelfall der Tatrichter zu entscheiden (BGH Urt. v. 30. April 1976 - V ZR 129/74 = DNotZ 1976, 683, 684 mit Nachw.; Senatsurteil aaO). Anders als in der Sache BGHZ 76,43 (in welcher der Senat die Prüfung selbst vornehmen konnte, weil alle insoweit maßgeblichen Umstände unstreitig waren) ist das hier auch geschehen. Das Ergebnis dieser tatrichterlichen Würdigung muß die Revision hinnehmen.

aa) Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß bei getrennt abzuschließenden Verträgen eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der jeweiligen Vereinbarungen spricht. Es sieht aber diese Vermutung als durch die besonderen Umstände des Falles widerlegt an.
Die Anzeige der Klägerin habe sich nämlich nicht nur auf eine Doppelhaushälfte, sondern auch auf ein ganz bestimmtes dafür vorgesehenes Grundstück bezogen. Der dort angegebene Preis von 185 000 DM habe demgemäß die Gesamtkosten für Haus und Grundstück umfaßt. Eben dieses in der Anzeige erwähnte Grundstück habe der Beklagte mit dem Haus erwerben wollen und sollen. Eigentümer eines anderen Baugrundstücks sei er nicht gewesen. Er habe auch kein anderes in Aussicht gehabt. Im Bauvertrag sei das Grundstück, das dem Filialleiter der Klägerin gehört habe, denn auch schon katastermäßig bezeichnet gewesen. Vor allem aber sei hier entscheidend, daß das Grundstück mit einer Doppelhaushälfte bebaut werden sollte, die »an die andere Hälfte gekettet« gewesen sei.


bb)
Es kann dahinstehen, ob der Wille der Parteien zur rechtlichen Verknüpfung von Bauvertrag und Grundstückserwerb auch damit zu begründen ist, daß das Grundstück im Eigentum eines Angestellten der Klägerin stand und deren Planung sich allein auf dieses bestimmte, im Bauvertrag katastermäßig bezeichnete Grundstück bezog. Die Klägerin hatte jedenfalls mit ihrer Zeitungsanzeige den sicheren Eindruck erweckt und auch erwecken wollen, daß sie den Bauwilligen auch das für die Errichtung des Hauses erforderliche Grundstück verschaffen werde. Sie wußte, daß der Beklagte Haus und Grundstück erwerben wollte, für ihn also ein Vertrag nur über die Errichtung einer Doppelhaushälfte ohne Grundstück nicht in Betracht kam. Auf dieser Grundlage haben die Parteien verhandelt. Dabei war - ohne daß dies einer Hervorhebung bedurft hätte - für die Beteiligten selbstverständlich, daß die Klägerin ihrerseits den Erwerb des Grundstücks nur vermitteln wollte, wenn die Durchführung des Bauvertrages gewährleistet war. Mangels besonderer Abreden sollten daher nach dem Willen beider Parteien Bauvertrag und Grundstückserwerb »miteinander stehen und fallen
c
c) Irgendwelche die rechtliche Selbständigkeit von Bauvertrag und Grundstückserwerb ermöglichende Sondervereinbarungen, wie sie z. B. in der Sache BGHZ 76,43 auf Verlangen der Interessenten in Gestalt eines Rücktrittsrechts für den Fall getroffen waren, daß der Grundstückserwerb scheitern sollte hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Es ist nicht zu beanstanden, daß es die Hinweise der Klägerin auf einzelne Bestimmungen des Bauvertrages, aus denen sich dessen rechtliche Unabhängigkeit vom Grundstückserwerb ergeben soll, für unbeachtlich hält. Es heißt dort zwar unter der Überschrift »Festpreis«, die Festpreisbindung bleibe unverändert bestehen, sofern die den Bauherren obliegenden Voraussetzungen für die Baudurchführung erbracht worden seien; es würden neben einem baureifen Bauplatz eine auflagenfreie Genehmigung des vorbereiteten Bauantrags und die Finanzierungssicherstellung des Bauvorhabens benötigt. Diese Klausel lag aber, wie das Berufungsgericht ausführt, in den hier entscheidenden Punkten neben der Sache: Die Planung - und damit die auflagenfreie Genehmigung des vorbereiteten Bauantrags - war unstreitig Aufgabe der Klägerin. Daß der Beklagte ein baureifes Grundstück nicht selbst zur Verfügung zu stellen brauchte, ergab sich aus der Anzeige. Sollte die Klägerin dagegen hierin eine Grundstücksverschaffungspflicht des Beklagten für den Fall erblicken, daß er noch nicht Eigentümer des betreffenden Baugrundstücks war, so wäre damit die rechtliche Verknüpfung von Bauvertrag und Grundstückserwerb nur noch verstärkt. Entsprechendes gilt für die unter der Überschrift »Bauherrenleistungen« aufgeführte Klausel, daß die Bauherren berechtigt seien, das H. -Haus auf einem anderen Bauplatz errichten zu lassen, wenn eine Bauausführung auf dem (zunächst in Aussicht genommenen) Grundstück »in keiner Weise möglich« sei. Auch diese Alternative hatte nach den gegebenen Umständen von vornherein auszuscheiden.