Bundesgerichtshof Entscheidungen


Voraussetzungen für eine Formpflicht des Bauvertrages

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Juni 2002 folgende Entscheidung verkündet:

Ist ein Bauvertrag von einem Grundstückskaufvertrag abhängig, dieser aber nicht von ihm, ist er nicht gemäß § 313 BGB zu beurkunden.

BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 - VII ZR 321/00 - OLG Köln LG Köln

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagten nach Kündigung eines Bauvertrages auf Zahlung in Anspruch. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dieses Vertrages.
Die Beklagten meldeten sich auf eine Zeitungsanzeige der Klägerin, in der diese angeboten hatte, in ruhiger, verkehrsgünstiger Ortsrandlage ein Haus zu planen und zu bauen. Die Parteien schlossen einen Bauvertrag, der auf das in der Anzeige genannte Grundstück, das nicht im Eigentum der Klägerin stand, Bezug nahm. Dabei wurde im Vertrag die Lage des Grundstücks konkret bezeichnet; den Beklagten wurde ein Rücktrittsrecht u.a. für den Fall eingeräumt, dass ein Kaufvertrag mit dem Eigentümer nicht zustande kommen sollte. Die Klägerin vermittelte den Abschluss des alsdann notariell beurkundeten Kaufvertrages über dieses Grundstück zwischen den Beklagten und dem Verkäufer. In der Folgezeit wollten die Beklagten von dem Bauvertrag, nicht aber vom Grundstückskauf Abstand nehmen. Nach wechselseitiger Kündigung des Bauvertrages schlossen sie mit dem Verkäufer einen erneut notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag zu den ursprünglichen Vertragsbedingungen. Nach Auflassung wurde das Grundstück auf die Beklagten umgeschrieben. Die Klägerin hat 60.981,46 DM geltend gemacht. Sie ist der Meinung, der Bauvertrag habe einer notariellen Beurkundung nicht bedurft; jedenfalls sei ein Formmangel durch die erste Beurkundung des Grundstückskaufvertrages analog § 313 BGB geheilt worden. Die Vorinstanzen haben eine Beurkundungspflicht des Bauvertrages bejaht, eine Heilung des Formmangels abgelehnt und die auf Entschädigung aus dem Bauvertrag gerichtete Klage mit Ausnahme eines Betrages von 700 DM abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren weitergehenden Anspruch.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt zur Frage der Formbedürftigkeit des Bauvertrages aus, dieser enthalte weder eine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten zum Erwerb des Grundstücks noch seien Nachteile für den Fall eines unterlassenen Erwerbs erkennbar, so dass der Bauvertrag nicht schon aus diesen Gründen beurkundungsbedürftig gewesen sei. Diese der Revision günstige und von den Beklagten nicht angegriffene Auslegung des Vertrages ist nicht zu beanstanden.
II.
1. Das Berufungsgericht führt aus, der Bauvertrag sei aus anderen Gründen formunwirksam. Ein für sich allein nicht formbedürftiger Vertrag sei dann notariell zu beurkunden, wenn er mit einem Grundstücksvertrag rechtlich zusammenhänge. Eine solche Verknüpfung liege vor, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig seien, dass sie miteinander stehen und fallen sollen. Dabei sei nicht erforderlich, dass an jedem der Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Personen beteiligt seien.
Ein solcher Verknüpfungswille der Parteien sei gegeben. Die Beklagten seien seinerzeit nicht Eigentümer eines Grundstücks gewesen und hätten den Erwerb des von der Klägerin vermittelten Grundstücks beabsichtigt. Ohne ein Grundstück hätte das Haus nicht errichtet werden können. Die Klägerin habe schon in ihrer Anzeige für das von den Beklagten gekaufte Grundstück geworben. Sie sei davon ausgegangen, dass die Bauinteressenten das von ihr für die Bebauung vorgesehene Grundstück erwerben wollten; sie habe an der Vermittlung eines Kaufvertrages allein kein Interesse gehabt. Dies hätten die Beklagten erkannt. Für diese sei ein Vertrag mit der Klägerin lediglich über die Errichtung einer Doppelhaushälfte nicht in Betracht gekommen; dies genüge, um einen einheitlichen Vertrag mit daraus folgender Beurkundungsbedürftigkeit für alle Vereinbarungen zu bejahen. Dass die Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt bereit gewesen seien, das Grundstück auch ohne Bebauung durch die Klägerin zu erwerben, sei ohne Belang.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beurteilung, ob der Bauvertrag der Parteien notariell zu beurkunden war, bedarf ergänzender Feststellungen.
a) Ein Vertrag, der als solcher dem Formgebot des § 313 Satz 1 BGB nicht unterliegt, ist dann notariell zu beurkunden, wenn er mit einem Grundstücksgeschäft im Sinne dieser Vorschrift eine rechtliche Einheit bildet. Eine rechtliche Einheit besteht dann, wenn die Verträge nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen (st.Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1980 - VII ZR 12/80, BGHZ 78, 346).
Dies setzt nicht voraus, dass die Abhängigkeit der Verträge wechselseitig ist. Auch bei einseitiger Abhängigkeit stehen und fallen beide Geschäftsteile mit dem Vertrag, von dem der andere abhängt. Andererseits ist ein solches Abhängigkeitsverhältnis kein hinreichender Grund, das für einen Vertrag geltende Formgebot auf den anderen auszudehnen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die mit dem Normzweck verbundenen Funktionen des § 313 Satz 1 BGB die Erstreckung des Formgebots auf das verbundene Geschäft erfordern. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat wiederholt auf die Abhängigkeit des Grundstücksvertrags als maßgebliches Kriterium für die Formbedürftigkeit des gesamten Geschäfts hingewiesen (BGH, Urteil vom 26. November 1999 - V ZR 251/98, NJW 2000, 951 m.w.N.). Er hat dazu ausgeführt, allein die einseitige Abhängigkeit des formfreien Geschäfts vom Grundstücksvertrag genüge nicht, eine rechtliche Einheit im Sinne des Formgebots zu begründen.
b) Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226). E
s ist maßgeblich auf Sinn und Zweck des Beurkundungsbedürfnisses abzustellen. Allein eine wirtschaftliche Verknüpfung der Verträge gebietet es nicht, das Formerfordernis des § 313 BGB auf den Bauvertrag zu erstrecken. Erst bei einer Abhängigkeit des Grundstücksgeschäfts vom Bauvertrag besteht Anlass, zur Wahrung der Funktionen des § 313 BGB (Warn- und Schutzfunktion, Gewährsfunktion für richtige, vollständige und rechtswirksame Wiedergabe des Parteiwillens, Beweisfunktion) das Formgebot auf den Bauvertrag auszudehnen.
An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn zunächst der Bauvertrag und alsdann der Grundstücksvertrag geschlossen wird. Die Frage der Formbedürftigkeit ist von der zeitlichen Abfolge der Verträge nicht abhängig (Pohlmann EwiR 2000, 323 f; a.A. MünchKommBGB/Kanzleiter, 4. Aufl., § 313 Rdn. 54 und Fn. 207).
c) Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht die Annahme, der Grundstückskaufvertrag sei vom Bauvertrag abhängig.
aa)
Der erforderliche rechtliche Zusammenhang der Verträge geht über den tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Zusammenhang der Geschäfte hinaus. Es genügt nicht, dass der Bauvertrag Anlass zum Grundstückskauf gegeben hatte oder diesen erst ermöglicht haben sollte.
Eine Ausdehnung der für den Vertrag über das Grundstück gebotenen Form der notariellen Beurkundung auf das formfreie Rechtsgeschäft des Bauvertrags ist geboten, wenn nach den Vorstellungen der Parteien des Grundstücksvertrages dieser geschlossen wird, um die Ausführung des Bauvertrages zu ermöglichen.

bb) Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben keine Abhängigkeit des Grundstückskaufvertrages vom Bauvertrag. Eine solche rechtliche Abhängigkeit ist weder im Grundstückskaufvertrag angedeutet noch ergibt sie sich aus dem bisher festgestellten Willen der Parteien. Das Berufungsgericht befasst sich allein mit der Abhängigkeit des Bauvertrages vom Grundstücksgeschäft.
III.
Danach kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben. Den Parteien ist zunächst Gelegenheit zu geben, zu dem neuen rechtlichen Gesichtspunkt ergänzend vorzutragen. Sollten weitere Feststellungen des Berufungsgerichts zu einem Formmangel des Bauvertrages führen, so wäre dieser Mangel in der Folgezeit nicht geheilt worden.
1. a) Das Berufungsgericht führt aus, die Formnichtigkeit des Bauvertrages sei durch den Abschluss des ersten Grundstückskaufvertrages nicht geheilt. Die Erwägung der Rechtsprechung, eine Heilung der formunwirksam eingegangenen Verpflichtung zur Veräußerung des Grundstücks könne über die Regelung des § 313 Satz 2 BGB hinaus bereits dann in Betracht kommen, wenn die Verpflichtung formwahrend eingegangen worden ist (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 18. Dezember 1981 - V ZR 233/80, BGHZ 82, 398, 403 ff), sei hier nicht tragfähig.
b) Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand. Die dem vorgenannten Urteil des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Erwägungen lassen sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Dort ging es um die Frage, ob die unwirksam eingegangene Verpflichtung zum Verkauf eines Grundstückes an einen Dritten bereits durch die notarielle Beurkundung des in Aussicht genommenen Kaufvertrages mit dem Dritten entsprechend § 313 Satz 2 BGB geheilt worden war. Das hat der Bundesgerichtshof mit der Erwägung bejaht, dass der Verkäufer bereits mit dem Abschluss des notariell beurkundeten Kaufvertrages gehindert sei, sich den sachenrechtlichen Konsequenzen des zuvor formunwirksam geschlossenen Vertrages zu entziehen. Hier liegt der Fall anders, da der Bauvertrag gerade keine Kaufverpflichtung bezüglich des Grundstücks enthält. Mit Abschluss des notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrages würde der Schutzzweck des § 313 Satz 2 BGB im Hinblick auf den Bauvertrag nicht erreicht. Die Rechtslage hatte sich in Bezug auf die Verpflichtung der Parteien, den Bauvertrag zu erfüllen, nicht derart verfestigt, dass eine entsprechende Anwendung des § 313 Satz 2 BGB bereits mit Abschluss des Grundstücksvertrages geboten wäre.
2. Der Formmangel des Bauvertrages ist durch den Abschluss des erneuten Grundstücksvertrages sowie Auflassung des Grundstücks und Eintragung der Beklagten als Eigentümer in das Grundbuch nicht geheilt worden.
Dieser Vertrag sollte nach dem beurkundeten Willen der Beklagten ohne Bindung an den Bauvertrag geschlossen und sollte ausdrücklich nicht mit ihm als Einheit vollzogen werden. Eine Abhängigkeit dieses Grundstücksvertrages von dem Bauvertrag bestand danach nicht.